Bei den eisenpatinierten Figuren wird die Gesamtwirkung durch zwei verschiedene Grundtöne bestimmt, die unterschiedliche Empfindungen beim Betrachter auslösen, nämlich dem von
patiniertem Steinguss und von dem festem, massivem Eichenholz. Auf den ersten Blick meint man, in den Figuren Eisenplastiken zu erkennen, so authentisch wird durch die
Oberfläche der Eindruck von Rost suggeriert, dass selbst beim näheren Hinsehen kein Zweifel an dieser Vermutung aufkommt. Im 19. Jahrhundert waren solche Eisengussskulpturen
in der Industriearchitektur weit verbreitet. Wissings Arbeiten wirken wie solche mit Rost überzogene Artefakte aus dieser Zeit.
Die kolorierten Objekte die der Künstler selber als „plastische Illustrationen“, in der Gradwanderung zwischen Comic und Karikatur und Theater bezeichnet, schaffen durch das
Zusammenspiel von Form und Farbe eine aufeinander abgestimmte Komposition, die das absurde und unwirkliche der Figuren zum Höhepunkt bringt.
In der Formgebung lässt Wissing seiner Phantasie freien Lauf und reizt seine Möglichkeiten aus, bis hin zu karikaturhaften Zügen, um so das Theatralische noch zu betonen. Die
Könige, Clowns oder feisten Dirnen aus Wissings Formenrepertoire rekeln sich auf den Holzbalken und Sockel wie einst die Artisten und Akrobaten der umherziehenden
Theatergruppen, die dort gastierte, wo es ein freundliches und vor allem zahlungswilliges Publikum gab. Vor allem die Commedia dell`Arte setzte hier Standards. Sie eroberte
ausgehend von Italien im 16. Jahrhundert sowohl im Theater als auch auf den Jahrmärkten die Herzen der Zuschauer. Die umherziehenden Theatergruppen brachten burleske Figuren
in märchenhafter Kostümierung auf die Bühne. Lachen und Weinen lagen in diesen Stücken oft nah beieinander und die Figuren gewannen als theatralisch verfremdeter
Identifikationstypen Sympathie.
Genau diese Vielschichtigkeit und Spannung der originalen Commedia dell´Arte-Figuren hat Wissing in seinen Plastiken aufgegriffen und ihnen jeweils einen sehr persönlichen
Akzent verliehen, den die historischen Vorbilder nicht haben. Es ist nicht einfach die Nachahmung der vorgegebenen Gestalt, sondern deren Interpretation und Umgestaltung als
Wesen unserer Zeit.
Dr. Helmut Orpel, Kunsthistoriker